Mittwoch, 2. August 2017

Brauchen Vertikal-Antennen Radiale?



Vertikalantennen sind eine feine Sache. Im guten alten CB-Funk sind sie Standard. Kaum einem käme es in den Sinn, auf 27 MHz einen horizontalen Drahtdipol aufzuhängen.
Was im CB-Band gang und gäbe ist, müsste eigentlich auch in den Amateurfunkbändern funktionieren, nicht wahr?

In der Tat sind Vertikalantennen auch bei den Funkamateuren beliebt und wer keinen Beam auf einen Tower oder aufs Dach montieren kann, der greift gerne zum Stängel.

Im 2m Band werden sie - wegen ihrer oftmals weißen Farbe - auch Blindenstock genannt. Sie strahlen rundherum in jede Richtung und haben je nach Länge zudem noch einen respektablen Gewinn. Zumindest verspricht das der Prospekt.

Von Stängel zu Stängel geht es wie geschmiert, im CB wie auch im 2m oder 70cm Band. Nur zwischen horizontal polarisierten Antennen und Blindenstöcken hapert es. Die unterschiedliche Polarisation kann die Verbindung bis zu 20dB kosten. Das sind Welten und oft der Unterschied zwischen "nicht hörbar" und Q5.
Allerdings nur im Lokalverkehr. Sobald DX ins Spiel kommt, ist die Polarisation egal. Die Ionosphäre hat ihre eignen Regeln.

Auch auf Kurzwelle sind Stängel bei Funkamateuren beliebt. Sie beanspruchen nur Platz in der Vertikalen und lassen sich auch noch im winzigsten Garten oder auf dem Balkon montieren. Auf dem Automobil sind sie selbstverständlich. Auf dem Autodach sind horizontale Antennen der Polizei suspekt.

Eine vertikale Antenne ist für den beamlosen Funkamateur oft die naheliegendste Lösung und es gibt sie in allen Varietäten und Geschmacksrichtungen: Von der Wunderantenne bis zum Wetterballon an der langen Leine. Doch wie so oft im Leben gibt es einen Spielverderber. Und der heißt in diesem Fall RADIAL.

Da wird doch behauptet, ohne Radials würde eine Vertikalantenne nicht funktionieren. Sie seien das Gegengewicht, die andere Hälfte des vertikalen Stängels. Mindestens 120 Stück davon müsse man vergraben, um Wirkung zu erzielen.

Aber die Ringo im 27 MHz Band brauchte keine Radials und viele Hersteller von futuristisch anmutenden Vertikalantennen mit Spulen, Stacheln und anderen seltsamen "Verzierungen aus Aluminium behaupten dasselbe. Auch der Blindenstock für 2m und 70cm braucht keine dieser mysteriösen Radiale. Was ist da eigentlich los? Braucht meine Vertikalantenne nun Radiale oder keine?

Die einfache Antwort auf diese Frage lautet NEIN: Du kannst auch ohne Radiale funken. Die Hochfrequenz ist kreativ. Sie sucht sich im Notfall ihr Gegengewicht selbst. Oft den Mantel des Koaxialkabels, manchmal sogar den Operateur selbst. Und in vielen Fällen funktioniert das sogar recht gut.

Die komplizierte Antwort lautet: "Es kommt darauf an."
Nämlich auf den Typ der Vertikalantenne den man benutzt.
Im wesentlichen gibt es zwei Sorten. Und eine davon braucht in der Tat keine Radiale, um zu funktionieren: Es handelt sich um den Halbwellenstrahler. Wo man in speist, ist eine Frage der Anpassung. In der Mitte als klassischen Dipol, unsymmetrisch mit einem kurzen und einem langen Ende wie bei der Windom oder nur an einem Ende wie eine Endfeed-Antenne.
Sowohl die Ringo, wie auch der Blindenstock sind Halbwellenstrahler. Im letzteren Fall oft sogar mehrfach gestockte (daher der Gewinn). Auch die komplizierten Alu-Gebilde der kommerziellen Hersteller sind oft Halbwellenstrahler. Auch wenn ihre mechnische Länge für einige Bänder zu kurz ist. Zur elektrischen Verlängerung sind Spulen eingebaut.

Die zweite Sorte ist der Viertelwellenstrahler. Ihm fehlt die andere Hälfte, die ihn zu einem vollwertigen Dipol machen würde. Dafür sind dann die Radiale zuständig.
Setzt man ihn auf einen Mast oder aufs Hausdach, kann man isolierte und abgestimmte Radiale spannen und die Sache ist geritzt.
Mit drei Radialen um 120 Grad versetzt und um 45 Grad nach unten gespannt, hat man eine so genannte Triple Leg. Gemäss Rothammel wurde sie von HB9OP "erfunden". Eine ausgezeichnete DX-Antenne. Benutzt man einen Strahler, der mit Traps bestückt für mehrere Bänder resonant ist, muss für jedes Band ein resonanter Satz Radiale gespannt werden.

Das gleiche gilt übrigens auch für die 5/8 Vertikalantenne. Auch sie braucht Radiale (von je 1/4 Wellenlänge) um zu funktionieren. Zudem muss der Stängel noch mit einer Spule auf 3/4 verlängert werden, da 5/8 nicht von Haus aus resonant sind. Ihr Vorteil: Sie strahlt noch einen Zacken flacher als eine 1/4 Vertikal.

Montiert man seine Vertikalantenne direkt auf den Boden, spricht man von einer GP (Ground Plane).
Bei ihr soll der Untergrund den fehlenden Part übernehmen. Optimisten treiben zu diesem Zweck einfach einen Erdspieß in den Boden und schließen dort den Mantel des Koaxialkabels an. Verwendet der Optimist dann noch einen automatischen Tuner am Fuß seines Stängels, hat er eine Vertikal die, mit etwas Glück, auf allen Bändern abstimmbar ist.

Leider bedeutet ein gutes SWR nicht, dass die Antenne auch ein effektiver Strahler ist. Sonst würden wir alle mit einer Dummy Load funken.

Die Vertikal des Optimisten kann am Meerestrand oder im Auenland sehr gut funktionieren, an anderen Orten ist sie oft eine Enttäuschung.
Damit sich der Untergrund bequemt, den Part der anderen Antennenhälfte zu übernehmen, muss man seine Leitfähigkeit drastisch verbessern. Und dabei kommen wiederum Radiale zum Zug.

Allerdings werden sie in diesem Fall nicht mehr isoliert abgespannt, sondern einfach auf den Boden gelegt oder vergraben.
Resonant brauchen sie aber nicht mehr zu sein. Und auch kürzer als 1/4 Wellenlänge dürfen sie sein. Dafür braucht es bei mittelmäßigem  Boden nicht nur drei, wenn man Erfolg haben will.

Es gibt viele Untersuchungen (123) über die optimale Anzahl und Länge von Radialen bei GP-Antennen. Oberhalb 16 Stück scheint der Zugewinn für den OM nicht mehr den Aufwand zu rechtfertigen. Längen zwischen 0.1 bis 0.2 Lambda sind gebräuchlich. Mehr kurze Radiale sind offenbar besser als einige wenige lange.

Doch damit ist der Erfolg noch nicht garantiert. Das weitere Umfeld und die Qualität des Bodens spielen immer eine große Rolle. Oft ist ein horizontaler Dipol besser, auch wenn er Inverted V aufgehängt wird.


 

2 Kommentare:

BerndP hat gesagt…

Bin mit der Aussage daß Radiale bei einer freistehenden Antenne völlig unnötig seien, nicht einverstanden. Die Leitfähigkeit des Bodens, sprich der sogenannten HF-Erde (ja, das sogenannte Gegengewicht resp. auch geerdete Radials) ist ein wichtiger Faktor für die Charakteristik einer Sendeantenne insbesondere. Je besser diese Leitfähigkeit ist, umso effizienter strahlt die Antenne, und auch mit der für eine "ideale Erde" (diese schwingt nicht mit) vorausberechnete Charakteristik. Eine schlechte HF-Erdung schwingt mit und verstimmt (!) dadurch das Gesamtsystem. Die Effizienz nimmt demzufolge ab und die Dämpfung steigt. Der Fußpunkt erhält sogenannte Blindkomponenten ("komplexer Widerstand"). Stehwelle verschlechtert sich. Dies muss man durch Abstimmung resp. Längenveränderung oder auch Vergrößerung der Bandbreite - Kapazität - erneut kompensieren dann, damit der Fußpunkt in der gegebenen (ungünstigeren) Situation wieder halbwegs real wird, d.h. möglichst wenig Blindwiderstände auftreten.

Anonym hat gesagt…

Ich hatte damals vor x-Jahrzehnten genannte Ringo-Ranger für CB-Funk. Die wurde vom Hersteller mit 5/8-Lambda beworben und die mechanische Länge lies dies auch plausibel erscheinen.