Montag, 11. Dezember 2017

QSO's ab Stange



Wer Nächte lang an einer kleinen Kiste mit vielen Knöpfen sitzt, um nach stundenlangem Bemühen einem Kollegen in Taka-Tuka-Land zwei zum vorneherein bekannte Zahlen über den Aether zuzubrüllen, den sollte man unter Beobachtung stellen.
QSO wird das in Funkerkreisen genannt und ein tieferer Sinn steckt nicht dahinter. Man kann solches Tun auch nicht sozialen Kontakten oder Forschung zuordnen. Höchstens der Selbstbefriedigung.
Wer nicht spricht, sondern morst, ist jedoch entschuldigt, denn wie jeder weiß handelt es sich bei der Telegrafie um eine bekannte Krankheit.

Tauscht der Funker stundenlang mit verschiedenen Stationen Nummern aus, wobei immer eine Fünf und eine Neuen dabei sein müssen, so heißt das Kontest und läuft offiziell unter Funksport. Hier ist der Sinn schon eher zu erahnen: Neben Hören und Schnellsprechen werden auch die Gesäßmuskeln trainiert.
Natürlich kommt, wie beim richtigen Sport, auch eine kompetitive Komponente hinzu. Der Funker an der Kiste mit dem lächerlich kleinen Bildschirm will gewinnen. Er will der Grösste, der Beste, der Schnellste sein. Das liegt in der menschlichen Natur - dafür hat die Evolution Jahrmillionen lang gesorgt. Wie schon früher bei der Mammut-Jagd kommt es dabei leider manchmal zu unschönen Szenen: wegen der geklauten Beute. Begünstigt durch die Anonymität der einsamen Funkbude. Denn der Gegner sitzt jenseits der eigenen Antenne.

Aber es gibt glücklicherweise noch andere Sorten von QSO's, mit denen wir unsere wertvollen Frequenz-Ressourcen verteidigen können: Digitale zum Beispiel.
Diese werden immer beliebter. Aus gutem Grund: zwar werden die Funkgeräte angeblich immer besser, doch die Antenne des Durchschnittsfunkers schrumpft. Dafür ist auch die Evolution schuld. Die hat nämlich dafür gesorgt, dass der Mensch keine natürlichen Feinde mehr hat und sich explosiv vermehrt. Das Resultat: der moderne Funker lebt im Ameisenhügel, Hochhaus genannt, oder in aneinandergereihten Klötzen. Auf jeden Fall wird er immer mehr verdichtet und die Antenne mit ihm. 

Doch zurück zu den digitalen Verbindungen. Diese waren zu Beginn der Entwicklung noch ziemlich individuell - abgesehen von diversen Floskeln. Diese werden übrigens Funkersprache genannt. Kaum einer benutzt sie nicht und bei einigen hat sie gar pathologische Züge angenommen. Das ist zum Beispiel daran erkennbar, dass die Funker auch im Sprechbetrieb immerzu HI sagen, um nicht Lachen zu müssen. Aber auch dafür gibt es ein therapeutisches Angebot.
Doch bei den neuen digitalen Betriebsarten sagt keiner mehr HI; er haut es auch nicht in die Tastatur. Denn das moderne, digitale QSO ist ein QSO ab Stange.
Es folgt einem strengen Protokoll, das neuerdings nicht nur noch standardisierte, minimalistische  Sprechblasen  zulässt, sondern auch zeitlichen Zwängen folgen muss.
Diese QSO's ab Stange haben zweifelsohne ihre Vorteile:

1. Der Funker muss nur noch die entsprechenden Sprechblasen im richtigen Zeitpunkt auslösen und
2. Die damit erzielten Verbindungen können auch mit geschrumpfter Leistung und Antenne ausgeführt werden.
3. Der soziale Aspekt beschränkt sich auf die nachträglich per Post ausgetauschten Pappkarten, die ähnlich den Briefmarken noch von vielen gesammelt werden. Das kommt vielen zupass, den der OM ist nicht nur Sammler und Jäger, sondern oft auch Eigenbrötler.

Ich bevorzuge übrigens die vollautomatische Variante des digitalen QSO's ab Stange. Sie heißt WSPR und verzichtet auf die Anwesenheit des Funkers. Der Computer funkt dabei selbstständig mit anderen Computern. Ich kann mir dann morgens nur noch die Zusammenfassung ansehen.
Das passt zu meinem Wesen, das mit dem Alter eine gesunde Faulheit entwickelt hat.
Gestört wird diese praktische Art QSO nur durch die Konzessionsbehörde, schreibt diese doch die Anwesenheit des Operateurs während des QSO's vor. Als Lösungsansatz habe ich mir eine Récamière in die Funkbude gestellt.

Das alles interessiert euch nicht? Ihr plaudert gerne noch in SSB oder chattet in Telegrafie?
Da habe ich vielleicht etwas interessantes für euch gefunden. Es gab von 1986 bis 2004 eine Zeitschrift, die sich an die Telegrafisten wandte. Sie hieß Morsum Magnificat. Ihr Herausgeber Zyg Nilski G3OKD hat sie nun allen OM zugänglich gemacht. Hier lassen sich alle Ausgaben herunterladen. Eine Schatztruhe für die Freunde der Telegrafie.

OT: Der am schnellsten sprechende Mensch! Er bringt es auf über 500 Wörter in der Minute. Da kann auch der beste Telegrafist nicht mithalten:



Nicht ganz so schnell, dafür mit ihrem Singsang beeindruckend sind amerikanische Auktionäre. Ich könnte ihnen stundenlang zuhören:



 Bild: Regenhorn








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